Aneignung

Zuerst nähte ich ein rotes, transparentes Hemdkleid, das beim Tragen gleichwertig das Hemdkleid und den Körper der Person zeigt. Das hemdkleidtragende männliche Modell fotografierte ich in verschiedenen Positionen und Gestiken, von je zwei gegenüberliegenden Blickpunkten aus. Diese Abbildungen brachte ich mittels Digitaldruck auf undurchsichtiges Gewebe auf, die beiden je zusammengehörigen Bildebenen – Vorder- und Hinteransicht – nähte ich dann zu einem neuen kleidungsstückartigen Objekt zusammen. Das so entstandene Hemdkleidobjekt repräsentiert Körperform und Gestus des Trägers, was im Besonderen am Faltenwurf sichtbar wird. Durch das Stärken  des Hemdkleidobjektes entsteht ein räumliches Objekt- ein Hohlraum nach innen und ein “bewegungs-abbildendes“ Gesamtbild nach außen, welches sowohl die Präsents der tragenden Person als auch ihre Abwesenheit thematisiert. Das Hemdkleidobjekt verbindet die beiden Bildebenen von Kleidungsstück und tragenden Körper zu einer neuen Synthese.
Beim Tragen des Hemdkleidobjekts durch mich transformiert die hautähnliche Bildhülle: das Andere zum Eigenen, das Eigene zum Anderen.
Durch das erneute Fotografieren verbinden sich alle Ebenen zu etwas neuen, bleiben aber nach analytischer Wahrnehmung auch im Einzelnen nachvollziehbar.
„Diese nun erkannte Nacktheit, die mit dem Sterblichwerden und der Vertreibung aus dem Paradies einhergeht, wird als conditio humana gesetzt: Im Gegensatz zu den Tieren müssen die Menschen ihre bloße Haut verhüllen. …  Was den Tieren bei der Geburt gegeben ist, müssen Eva und Adam sich erst als ‚zweite Haut‘ aneignen, …“ s. 114 aus: Haut Literaturgeschichte-Körperbilder-Grenzdiskurse, von Claudia Benthien, Hamburg 1999.

 

Aneignung
ich in Christian, Fotografie, 125 x 197cm, Foto: Christian Bartel, 2001

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Haut, Anwesenheit_Abwesenheit, Identität, Aneignung, eingefrorene Bewegung,